Prolog

[© OpenStreetMap und Mitwirkende, CC-BY-SA]
Weil es letztes Jahr so schön war und Corona-bedingt weiterhin Unsicherheit beim Verreisen besteht, zieht es uns wieder für eine entspannte Paddeltour auf die geliebte Czarna Hancza. Dieses Mal ist Simon mit dabei und so starten wir gemeinsam am Freitag halb 10 gen Osten, der Seat Ateca von Sixt (300 EUR/Woche) ist voll beladen. Natürlich halten die gut 860km auf der A4 und S8 über Dresden, Breslau, Lodz und Warschau auch wieder ein paar Staus bereit, sodass wir gegen 20 Uhr das Hotel Orchidea kurz vor Ostrów Mazowiecka erreichen. Während die Kinder müde ins Bett fallen, genieße ich mit Simon im Gastraum noch leckere Piroggen und ein Bierchen.
Samstag, 07.08.: Stary Folwark – Jezioro Wigry – Magdalenowo [5km]

Nach einem sehr vielfältigen und sättigenden Frühstück rollen wir auf der S8 gut 2h bis Augustow und reiten dort zunächst im Kaufland ein. Jetzt nochmal 50km durch’s Ländliche und wir erreichen 14 Uhr nach 1.100km unseren Bootverleiher in Mackowa Ruda. Wir bekommen zwei 3er-Kanadier und für Felix ein separates Kajak, dazu sieben wasserdichte Tonnen zum Verstauen der Klamotten und Essens-Vorräte (260 EUR/Woche). Fertig umgepackt geht’s im rumpeligen VW-Bus nach Stary Folwark an das Nordende des Wigry-Sees, wo wir beim Segelverein die Boote zu Wasser lassen. Nachdem alle Tonnen, Isomatten, Zelte, Wasserkanister und sonstige Taschen verpackt sind, starten wir kurz vor 16 Uhr offiziell die Bootstour. Zunächst geht es an der PTTK-Station vorbei, dabei schlägt uns ein straffer Südwind ins Gesicht sodass gleich alle Arme an den Paddeln gefordert sind. Nach der anschließenden Umfahrung der Halbinsel mit dem imposanten Kamaldulenser-Kloster schiebt uns der Wind quasi zum Abfluss der Czarna Hancza und es wird geschützt durch Bäume spürbar ruhiger. Gleich hinter dem kleinen Jezioro Postaw öffnet sich linksseitig das Schilf am traditionell ersten Biwakplatz (32 PLN/Nacht). Es ist kurz nach 17 Uhr und wir beschließen hier aufzubauen, vor dem Abendessen ist noch Zeit für ein erfrischendes Bad im glasklaren Wasser. Leider kommen später noch vier Autos mit jugendlichen Party-Polen, die Nacht wird etwas laut. Notiz an mich: diesen Platz zukünftig meiden.
Sonntag, 08.08.: Magdalenowo – Mackowa Ruda [7km]

Gegen halb 9 treibt es Arthur aus dem Zelt, also Teewasser auf dem Kocher anstellen und mit einem Sprung ins kühle Nass den Körper hochfahren. Zum Frühstück gibt es dieses Jahr neben Brötchen mit Marmelade und Nutella auch Müsli mit Milch, die wird zur Abrundung des Genuss-Kaffees am Morgen sowieso benötigt. Unter einem stark bedeckten Himmel bauen wir ab und sind viertel 12 startklar. Eine halbe Stunde später müssen erwartungsgemäß die Regen-Ponchos rausgeholt werden, trotz einiger Regentropfen bleibt es aber um 20°C warm. Kurz nachdem sich die Czarna Hancza gen Süden gewendet hat, zeigt sich am linken Ufer der rote Schirm und der Himmel lockert etwas auf. Perfektes Timing gegen 13 Uhr für die ersten Heidelbeer-Buchteln (Jagodzianki), Hackfleisch-Piroggen und einen frischen Kaffee (jeweils 6 PLN). Genuss pur! Wunderbar gestärkt schwingen wir uns wieder in die Boote und sind unerwartet schnell nach einer guten halben Stunde bereits in Mackowa Ruda, am ersten Pole Namiotowe landen wir an und bauen auf (95 PLN/Nacht inkl. Holz). Der großzügige und massiv gebaute Unterstand mit Kamin bietet uns genügend trockenen Platz um den leicht verregneten Nachmittag beim Kartenspiel zu überbrücken. Gegen halb 5 setzt sich zunehmend die Sonne durch und lädt direkt zum Baden ein, nach dem Abendessen mit Asia-Nudelsnack und Frischkäse-Tomaten-Brot knistert das Holz im Kamin und zaubert später noch ein paar Glutkartoffeln hervor.
Montag, 09.08.: Mackowa Ruda – Sarnetki [9km]

Der neue Tag fängt stark bewölkt an und während des Frühstücks beginnt es kräftig zu regnen, zum Glück haben wir es schön trocken dank großzügiger Überdachung. Doch bereits gegen 11 Uhr lockert der Himmel auf, die Sonne kommt raus und trocknet die Zelte in Windeseile. Etwas später als üblich sitzen wir halb 1 wieder in den Booten und lassen uns an weiteren hübschen Biwakplätzen im Ort vorbeitreiben. Hinter der Brücke bei Buda Ruska wird der Fluss auf dem Weg nach Süden etwas breiter und wir müssen uns gelegentlich durch die dichten Wasserpflanzen kämpfen. Arthur legt sich zur Mittagsruhe auf die Isomatten vor mir und bekommt mit Handtüchern einen Sonnenschutz. So gleiten wir ohne Hektik dahin, bevor am Nachmittag die ersten Häuser von Ciemny Las auftauchen. Nach dem Ort und einer kleinen Schilf-Passage ist kurz vor 16 Uhr am rechten Ufer unser heutiger Übernachtungs-Platz (40 PLN/Nacht) erreicht, also anlanden, auspacken und aufbauen. Leider gab es heute am Wegesrand keine Buchteln, aber Kekse und Muffins zum Kaffee schmecken auch. Die Kinder stromern durch den Wald und suchen Feuerholz, wir schnippeln Gemüse für das Abendessen. Später am knisternden Lagerfeuer gibt’s zum Wein noch Grill-Würstchen am Stock, Arthur stochert in der Glut und Felix lässt uns an seinen Gedanken teilhaben. Hach, wie wunderbar ist doch das einfache Leben.
Dienstag, 10.08.: Sarnetki – Dworczysko [17km]

Da für Mittwoch ausgiebige Regenfälle angesagt sind, wollen wir heute eine längere Etappe einlegen auf dem Weg zum nächsten Platz mit einer großflächigen Überdachung. Im schönsten Sonnenschein genießen wir das Frühstück mit Müsli, Brötchen und Kaffee, anschließend müssen alle Sachen wieder verstaut werden. Dann noch fix im Wasser erfrischt und schon legen wir halb 11 ab. Gleich hinter der nächsten Flussbiegung sitzt an der Holzbrücke nach Sarnetki ein Mütterchen im Schatten und verkauft Buchteln mit Puderzucker (5 PLN/Stück), wir greifen natürlich zu. Weiter treiben wir entspannt unter den Bäumen dahin, begleitet von unzähligen Blauflügel-Prachtlibellen. Gelegentlich teilt sich der Fluss und bietet unterschiedlich abenteuerliche Varianten, Felix sucht sich natürlich immer einen anderen Weg als wir. Vorbei geht’s an Gulbin mit den Resten der Waldbahn-Brücke und Tartaczysko bis zur Brücke unter der Nationalstraße 16. Hier nutzen wir den Sklep in Fracki als vorerst letzte Gelegenheit um Brot, Obst, Gemüße und Bier nachzukaufen. Gegen 13 Uhr schippern wir wieder, aber bereits nach zwei großen Schleifen lädt ein Drive-in zur Mittagsrast ein, leckere herzhafte Piroggen und gefüllte Kartoffeltaschen werden uns direkt am Steg gereicht. Dazu ein frisch gebrühter Kaffee, was will man mehr! Nun folgen ein paar wunderbar ruhige Kilometer in unzähligen Schleifen durch den Wald, bevor sich bei Okólek die Bäume zurückziehen und übers Schilf den Blick auf Wiesen und ein paar vereinzelte Häuser freigeben. Arthur ist mittlerweile aus der Mittagsruhe erwacht und lässt sich ein Stück durchs Wasser treiben. Die Sonne senkt sich langsam im Westen und gegen halb 5 ist endlich der geplante Biwakpatz unterhalb der Siedlung Muly bei Dworczysko erreicht (60 PLN/Nacht inkl. Holz). Wir sind wie die letzten beiden Tage auch hier alleine, allerdings ist die Wiese gut durchnässt und so platzieren wir die Zelte etwas näher am Hang. Beim Abendessen zieht dichte Bewölkung auf, es bleibt aber noch trocken während wir am Lagerfeuer den Tag verabschieden.
Mittwoch, 11.08.: Ruhetag Dworczysko [0km]

Mitten in der Nacht gegen 2 Uhr wird es laut im Zelt als sich die Himmelsschleusen schlagartig öffnen. Mit dem Wohlfühl-Gedanken an die Gemütlichkeit im Zelt schlummere ich weiter, doch kurz darauf meldet sich Arthur wegen Nässe. Er war im Schlaf an den Rand gerollt, hatte das Innenzelt nach außen gedrückt und dadurch dem Wasser eine Brücke gebaut. Ich tausche mit ihm und habe nun einen klammen Kinderschlafsack auf einer feuchten Isomatte, auch bei Simon gibt’s Wassereinbruch durch den Zeltboden. Doch irgendwann fallen die Augen zu und am nächsten Morgen weckt uns wieder die Sonne. Da wir ja heute geplant einen Ruhetag einlegen, können alle Sachen problemlos trocknen während Arthur nach dem Frühstück malt und bastelt. Die Zeit bis zum traditionellen Lagerfeuer vergeht beim Lesen, Fussball spielen, Mittagessen kochen, Kanu kentern, Baden und Abendessen. Zwischendurch gibt’s auch mal einen kurzen Regenschauer sogar mit Regenbogen, kann man als Urlaub aushalten.
Donnerstag, 12.08.: Dworczysko – Rygol [11km]

Unter einem stark bewölkten Himmel werden wir wach, während des Zusammenpackens nach dem Frühstück beginnt es auch leicht zu nieseln. Gegen 11 Uhr sind die Boote startklar im Wasser, die Regen-Ponchos griffbereit und nach gut einem Kilometer beginnt hinter der Brücke der wildromantische Urwald-Abschnitt mit einigen querliegenden Bäumen im Fluss. Erwartungsgemäß sind hier nun auch deutlich mehr Tagestouristen unterwegs, gute Gelegenheit an der Grußformel dzień dobre zu feilen. Passend zur Mittagszeit taucht ungefähr auf halber Strecke ein Biwakplatz mitten im Wald auf, hier tummeln sich bereits jede Menge Kajaks. Zudem werden mal wieder polnische Köstlichkeiten verkauft, wir probieren einmal das Sortiment durch (Buchteln, Blätterteig-Taschen, Kloß mit Hackfleisch). Gut gestärkt geht es nun in abwechslungsreichen Schleifen weiter auf den letzten Teil, nach der wiederbelebten ehemaligen PTTK-Station öffnet sich der Wald und schließlich ist 14 Uhr die Wiese am Forsthaus Rygol (32 PLN/Nacht) erreicht. Mittlerweile wurden die grauen Wolken von der Sonne verdrängt, das aufgebaute Zelt trocknet ab und wir genießen einen frisch aufgekochten Kaffee zu den Buchteln. Mit Badespaß am Steg und Feuerholz-Beschaffung ist der restliche Nachmittag gut ausgefüllt, nach dem Abendessen klingt am Lagerfeuer der letzte Paddeltag mit etwas Wehmut aus.
Freitag, 13.08.: Abholung/Rückfahrt

Die aufgehende Sonne scheucht uns gegen halb 9 Uhr aus dem Zelt, zum Abschied von der Czarna Hancza gibt’s nochmal Sommer satt. Ein letztes Mal die gewohnten Abläufe mit Frühstück, Packen, Zelt abbauen und Boote beladen, dann schippern wir 11 Uhr für ein paar Minuten bis zum Ausstieg hinter dem Abzweig zum Augustow-Kanal. Die geplante Abholung verzögert sich allerdings etwas, sodass wir erst gegen 12 Uhr zum Rücktransport nach Mackowa Ruda starten. Nachdem auch das Gepäck wieder im Auto verstaut ist, genießen wir gegen 14 Uhr in Augustow beim Italiener eine leckere Pizza. Dann noch fix ein paar Äpfel gekauft und los geht’s auf die zweitägige Rückreise durch den Norden Polens über Olsztyn, Elblag und Danzig. Auf ein baldiges Wiedersehen!